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Die DLRG: Lebensretter im Einsatz

2024 sind 411 Menschen in Deutschland ertrunken. So viele, wie seit 2019 nicht mehr. Die meisten Todesfälle ereigneten sich in den Sommermonaten Juni bis August. Auch in diesem Jahr werden in dieser Zeit wieder etwa 50.000 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) an Gewässern im Einsatz sein, um für Sicherheit zu sorgen. Vergangenes Jahr retteten sie über 1.400 Menschenleben, die Hälfte davon aus Gefahr im Wasser. Wir sprachen mit DLRG-Präsidentin Ute Vogt.

BKKiNFORM: Die Zahl der Menschen, die beim Baden ertrinken, ist in den letzten Jahren gestiegen. Was sind die Gründe dafür?

Ute Vogt: Vor allem in den Sommermonaten gab es mehr tödliche Unfälle. Der heiße August ragte mit 80 Todesfällen besonders heraus. Mit der Zahl sonniger Sommertage steigt die Wahrscheinlichkeit von Badeunfällen. Die Gewässer im Land werden dann von viel mehr Menschen und häufiger als sonst aufgesucht – leider nicht nur die bewachten Badestellen und Schwimmbäder. Auch im warmen Frühjahr zog es bereits zahlreiche Menschen zu Aktivitäten an und auf die Gewässer. Zudem kam es vermehrt zu Unglücken in Hochwassergebieten.

Drei von vier Ertrunkenen sind männlich. Warum sind Männer so viel stärker gefährdet als Frauen?

Ute Vogt: Männer neigen viel häufiger als Frauen dazu, sich selbst zu überschätzen sowie übermütig zu handeln. Risiken werden öfter ausgeblendet. Alkohol oder andere Drogen befördern solches Verhalten in vielen Fällen zusätzlich.

Die Gefahr zu ertrinken steigt mit dem Alter. Worauf sollten ältere Menschen achten, um sich nicht zu gefährden?

Ute Vogt: Ältere Menschen sind häufiger anfällig für Herz-Kreislauf-Probleme – vor allem bei starken Temperaturunterschieden. Der Gang ins kühle Wasser an heißen Tagen kann schnell zum Gesundheitsrisiko werden. Deshalb sollte man sich vor dem Baden unbedingt langsam abkühlen und an die niedrigere Wassertemperatur gewöhnen. Wichtig ist auch: Nicht allein schwimmen gehen und am besten dort, wo Rettungsschwimmerinnen und Rettungsschwimmer aufpassen.

Meer, Seen, Flüsse, Freibäder – wo ist die Gefahr zu ertrinken am größten?

Ute Vogt: In den Freigewässern. Ganz gleich, ob Meer, See oder Fluss: Der Aufenthalt in jedem dieser Gewässertypen bringt Risiken mit sich. Die meisten tödlichen Unfälle ereignen sich in Seen und Flüssen. Erstere sind hierzulande besonders zahlreich vertreten und werden seltener für Freizeitaktivitäten genutzt. Flüsse werden seltener aufgesucht. Hier sind die Unfallgefahren insbesondere aufgrund von Strömungen sowie Boots- und Schiffsverkehr aber größer. In den Meeren kommen vergleichsweise wenige Personen ums Leben, obwohl das Gefahrenpotenzial ebenfalls groß ist. Doch die Menschen begegnen den Meeren mit mehr Vorsicht, und in der Badesaison werden vielerorts Strandabschnitte von Rettungsschwimmerinnen und Rettungsschwimmern beaufsichtigt.

Wie sieht es mit der Gefahr durch Gewässer im Winter aus?

Ute Vogt: Im Winter ist ein Sturz ins Wasser besonders gefährlich: Bei niedrigen Temperaturen schwinden die Kräfte früher und der Körper kühlt schneller aus. Wenn das Wasser bei Minustemperaturen gefriert, laden Eisflächen zwar zum Spaziergang über dem Wasser ein. Meistens sind diese aber noch nicht ausreichend tragfähig. Die Eisdicke sollte bei Seen mindestens 15 Zentimeter betragen und bei fließenden Gewässern 20 Zentimeter, bevor man sie sicher betreten kann.

Von den 411 Todesfällen durch Ertrinken im Jahr 2024 betrafen 14 Kinder bis zehn Jahren. Was raten Sie Eltern, um ihr Kind beim Baden oder Spielen im Wasser zu schützen?

Ute Vogt: Eltern sollten ihre Kinder niemals aus den Augen lassen und insbesondere bei Kleinkindern immer direkt in Griffweite bleiben. Das gilt auch beim Tragen von Auftriebshilfen wie Schwimmflügeln und -westen. Die bieten nämlich keinen sicheren Schutz vor dem Ertrinken. Vorsicht ist auch bei Planschbecken, Gartenteichen, Regentonnen oder Ähnlichem geboten. Auch in den flachsten Gewässern kommt es immer wieder zu Unfällen. Ab dem Alter von fünf Jahren sind Kinder in der Lage, schwimmen zu lernen. Eltern können sie bereits vorher an das Wasser gewöhnen, zum Beispiel durch regelmäßiges gemeinsames Planschen und Spielen. Zudem empfehlen wir, rechtzeitig auf die Suche nach einem geeigneten Schwimmkurs zu gehen. Sicher schwimmen zu können ist die beste Prävention gegen das Ertrinken!

Die DLRG ist ein gemeinnütziger Verein, der vor allem von ehrenamtlichem Engagement getragen wird. Mit 630.000 Mitgliedern an bundesweit rund 2.000 Standorten ist sie weltweit die größte freiwillige Wasserrettungsorganisation. Wie sieht es mit dem Nachwuchs aus?

Ute Vogt: Die DLRG verzeichnete Ende 2024 zum dritten Mal in Folge einen Mitgliederrekord. Fast die Hälfte der Mitglieder ist 18 Jahre alt oder jünger – Nachwuchs ist also vorhanden. Durch die Schwimmausbildung kommen immer wieder Kinder zu uns. Die Kunst ist es, sie auch über die Schwimmkurse hinaus zu halten und an das ehrenamtliche Engagement heranzuführen, etwa in unseren Jugend-Einsatz-Teams. Daneben freuen wir uns immer über alle, die zu uns kommen und uns auf welche Weise auch immer aktiv unterstützen wollen. Hierbei hat uns beispielsweise kürzlich die R+V Versicherung tatkräftig geholfen und bundesweit für das Engagement bei der DLRG geworben.

Welche Herausforderungen sehen Sie für die DLRG in der Zukunft, etwa angesichts der Zunahme von Überschwemmungskatastrophen?

Ute Vogt: Die DLRG steht vor vielen Herausforderungen. Einige davon ergeben sich durch die klimatischen Veränderungen. Treten Hochwasser infolge von Starkregen häufiger auf, wird unser Engagement im Katastrophenschutz stärker gefragt sein. Umgekehrt führen steigende Temperaturen und Dürrephasen zu einem höheren Einsatzaufkommen an den Gewässern. Und dann müssen wir weiterhin intensiv um die Basis unserer Arbeit ringen: die Schwimmbäder. Sie sind durchschnittlich 50 Jahre alt und müssen dringend modernisiert werden, um erhalten zu bleiben. In den Schwimmbädern werden die Schwimmer ausgebildet, die später zu Rettungsschwimmern werden und an den Badestellen wie im Hochwassergebiet Menschenleben retten.

Wie sieht das DLRG-Engagement im Bereich der Prävention aus? Etwa beim Thema Schwimmunterricht?

Ute Vogt: Die DLRG ist abseits der öffentlichen Schulen die Nummer eins in der Schwimmausbildung in Deutschland. Vergangenes Jahr haben mehr als 45.000 Menschen ihr Schwimmabzeichen Bronze bei der DLRG abgelegt und damit den Nachweis erbracht, sicher schwimmen zu können. Wir setzen uns für mehr Schwimmbäder ein und suchen nach weiteren Freiwilligen, um dieses Engagement noch ausbauen zu können. Gemeinsam mit einem Kooperationspartner touren wir im Sommer mit unseren Strandfesten durch zahlreiche Seebäder, um den Urlauberkindern spielerisch das sichere Verhalten am und im Wasser beizubringen. Mit dem gleichen Ziel sind unsere Teams im ganzen Land in Kindergärten unterwegs. Wichtige Botschaften zur Aufklärung versuchen wir über alle Medien zu streuen. Dieses Jahr sind wir dank der Unterstützung durch Partner in vielen deutschen Großstädten erstmals auf zahlreichen Werbeflächen mit einer Präventionskampagne vertreten.

Vielen Dank für das Interview, Frau Vogt!