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„In diesen turbulenten Zeiten ist unser Ziel Stabilität“

Darin sind sich alle Krankenkassen einig: Sofortmaßnahmen und nachhaltige Reformen sind angesichts ungebremst steigender Ausgaben im Gesundheitswesen unumgänglich. Über die Herausforderungen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sowie die aktuellen Themen in der R+V BKK sprachen wir mit unserem Vorstand.

BKKiNFORM: Herr Gertz, Sie sind im Vorstand für die Finanzen zuständig. Kann die R+V BKK ihre Rechnungen bezahlen?

Jochen Gertz: Selbstverständlich können wir unsere Rechnungen bezahlen. Die Haushaltsplanungen der Krankenkassen gelten für ein Kalenderjahr. Am Jahresende wird dann der Haushaltsplan für das Folgejahr aufgestellt. Nach den teils explosiv gestiegenen Ausgaben 2024, vor allem im Krankenhausbereich, haben wir den Haushalt für 2025 so krisenfest wie möglich geplant. In diesen turbulenten Zeiten ist unser Ziel Stabilität. Oberste Priorität hat die Sicherstellung der medizinischen Versorgung unserer Versicherten. Das gilt natürlich auch für den Haushaltsplan 2026. Hier müssen wir abwarten, welche Maßnahmen die neue Regierung in diesem Jahr ergreift, um die Finanzen der GKV zu stabilisieren. Bundesgesundheitsministerin Warken ist sich der Dringlichkeit bewusst. Was an Maßnahmen bisher bekannt ist, etwa Ausgabensteigerungen über Darlehen zu finanzieren, reicht noch nicht aus und ist auch keine nachhaltige Lösung. Die Abgabenlast wird in die Zukunft verschoben.

Was würde aus Ihrer Sicht helfen?

Jochen Gertz: Wir unterstützen die Forderung des GKV-Spitzenverbandes, dass staatliche Sozialleistungen und versicherungsfremde Leistungen wie die gesundheitliche Versorgung von Bürgergeldbeziehenden und die Finanzierung von Rentenbeiträgen für pflegende Angehörige vom Staat bezahlt werden und nicht von den Beitragszahlenden der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Allein für Bürgergeldempfängerinnen und -empfänger zahlen die Krankenkassen jährlich rund 10 Mrd. EUR, die eigentlich aus Steuermitteln finanziert werden sollten.

Thomas Schaaf: Eine sinnvolle, kurzfristig umzusetzende Maßnahme wäre zudem eine Senkung des Mehrwertsteuersatzes auf Arzneimittel von derzeit 19 auf 7 Prozent. Das würde die Ausgaben der GKV um mehrere Milliarden entlasten. Leistungskürzungen und noch höhere Sozialabgaben will niemand. Aus diesem Grund sind wir überzeugt, dass die vom GKV-Spitzenverband vorgeschlagenen Maßnahmen vernünftig und zielführend sind.

Jochen Gertz: Begleitend zu Sofortmaßnahmen brauchen wir als langfristige Perspektive strukturelle Reformen im Gesundheitswesen, die ein dauerhaftes Gleichgewicht zwischen Einnahmen und Ausgaben sicherstellen. Die Krankenhausreform, die ja weitergeführt wird, geht in diese Richtung. Ein weiteres Stichwort ist die sektorenübergreifende Versorgung. Eine bessere Vernetzung und Koordination der Leistungserbringer, beispielsweise der ambulanten Versorgung durch Arztpraxen und der stationären durch Kliniken, macht das System effizienter und dämpft die Kosten.

Setzen Sie sich für Ihre Interessen im Gesundheitswesen ein?

Jochen Gertz: Ja. Ich vertrete die R+V BKK und ihre Positionen im Rahmen unserer Verbandstätigkeit in verschiedenen Gremien und nutze selbstverständlich Gelegenheiten, um persönlich mit Politikerinnen und Politikern über diese Themen zu sprechen. Dabei geht es nicht nur darum, auf Probleme hinzuweisen und Lösungsmöglichkeiten zu diskutieren. Wir verweisen auch auf das, was gut ist an unserem Gesundheitssystem. Wie schon öfter in der Vergangenheit hört man auch heute wieder Stimmen, die die Zahl der Krankenkassen radikal reduzieren wollen. Das würde den Wettbewerb, der vor allem den Versicherten zugutekommt, abwürgen. Die Versicherten profitieren von unterschiedlichen Leistungsangeboten und individuellerem Service.

Thomas Schaaf: Das Argument, mit zehn oder fünf Kassen oder gar einer einzigen Behörde würde man Verwaltungskosten sparen, ist höchst fragwürdig. 1970 gab es mehr als 1.800 Kassen, im Jahr 2000 noch 420 und heute 94. Die Anzahl ist also schon deutlich gesunken. Das hat aber nichts daran geändert, dass die Ausgaben immer weiter und stärker als die Einnahmen gestiegen sind. An den Verwaltungskosten liegt das nicht, die machen nur einen kleinen Teil der Ausgaben aus. Große Betriebseinheiten sind nicht per se effizienter als kleine. Im Gegenteil: Sie müssen mehr Ressourcen aufwenden, um ihre internen Strukturen und Prozesse im Griff zu behalten.

Welche anderen Themen sind gerade aktuell – auch in der R+V BKK?

Thomas Schaaf: Die aktuelle Version der elektronischen Patientenakte, die ePA für alle, startete im Frühjahr 2025. Ab dem 1. Oktober dieses Jahres sind nun alle Leistungserbringer wie Arztpraxen, Krankenhäuser oder Apotheken verpflichtet, mit der ePA zu arbeiten. Das ist ein weiterer wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Digitalisierung im Gesundheitswesen. In der R+V BKK arbeiten wir zurzeit an einem Update der Online-Geschäftsstelle und App „Meine R+V BKK“. Hier bieten wir demnächst als neuen Service eine personalisierte Kostenübersicht an. So kann jede Kundin und jeder Kunde sehen, welche Leistungen sie oder er in Anspruch genommen hat und wie viel wir dafür erstattet haben. Der Wunsch nach mehr Transparenz bei den Erstattungen wurde immer wieder von unseren Kunden an uns herangetragen. Dank der fortschreitenden Digitalisierung können wir ihn jetzt ressourcenschonend erfüllen. Darüber hinaus entwickeln wir unsere in diesem Jahr neu eingeführten sogenannten Digitalen Ersthelfer weiter. In der letzten Ausgabe hatten wir sie ja bereits vorgestellt. Sie erleichtern unseren Kundinnen und Kunden die Nutzung digitaler Leistungen, indem wir die Registrierung deutlich vereinfachen und beschleunigen. Und wir arbeiten an einer neuen Satzungsleistung, mit der wir unsere Kunden bei der Gesundheitsvorsorge finanziell unterstützen wollen. Sie ist für das kommende Jahr geplant.

Und wann ist es dann soweit?

Jochen Gertz: Die Produktentwicklung steht noch am Anfang. Alle Satzungsleistungen – wir reden auch oft von Zusatzleistungen – müssen vom Bundesamt für Soziale Sicherung auf Wirtschaftlichkeit geprüft und genehmigt werden. Der finanzielle Aufwand und der gesundheitliche Nutzen müssen in einem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis stehen. Unsere Aufgabe als Krankenkasse ist die medizinische Versorgung unserer Kundinnen und Kunden auf hohem Niveau. Das heißt, wir müssen mit unseren Leistungen und unserem Service stets auf dem neuesten Stand sein, um den medizinischen und technischen Fortschritt abzubilden. Nur so können wir im Wettbewerb der Krankenkassen ganz oben mitspielen.

Herr Gertz, Herr Schaaf, vielen Dank für das Gespräch!