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Wir stellen vor: den Krebsinformationsdienst

Seit 1986 gibt es den Krebsinformationsdienst (KID) des Deutschen Krebsforschungszentrums mit Sitz in Heidelberg, der aus Landes- und Bundesmitteln finanziert wird. Seine 67 Mitarbeitenden bieten aktuelle, evidenzbasierte und wissenschaftlich geprüfte Informationen zum gesamten Spektrum der Onkologie an – kostenlos, individuell und in verständlicher Sprache.

BKKiNFORM: Frau Dr. Klein, wer nutzt vor allem das Informationsangebot des KID?

Dr. Stefanie Klein: Etwa die Hälfte der Menschen, die sich an uns wenden, sind Krebspatientinnen und -patienten. Die zweitgrößte Gruppe sind mit rund einem Viertel der Anfragen Angehörige von an Krebs Erkrankten. Bei 14 Prozent handelt es sich um interessierte Bürgerinnen und Bürger, die sich beispielsweise darüber informieren wollen, welche Risikofaktoren es gibt und wie sie sich vor einer Krebserkrankung, etwa mit einer entsprechenden Ernährung und regelmäßiger Bewegung, schützen können. Viele sind sich gar nicht bewusst, dass Krebs ziemlich häufig vorkommt. Fast jeder wird im Laufe des Lebens früher oder später mit dem Thema konfrontiert, ob als selbst Betroffener, Familienangehöriger oder Freund. Das Zentrum für Krebsregisterdaten gibt an, dass in Deutschland etwa 43 Prozent der Frauen und 51 Prozent der Männer im Laufe ihres Lebens an Krebs erkranken. Dank der Fortschritte in der Krebsmedizin und der Angebote zur Früherkennung konnte die Fünf-Jahres-Überlebensrate von Krebskranken im Schnitt auf über 50 Prozent gesteigert werden. Im Jahr gibt es rund 500.000 Neuerkrankungen, wobei die Zahlen in den letzten Jahrzehnten vor allem aufgrund der immer älter werdenden Bevölkerung gestiegen sind.

Können sich auch Fachleute wie zum Beispiel Ärztinnen und Ärzte an den Krebsinformationsdienst wenden?

Dr. Stefanie Klein: Selbstverständlich. Etwa fünf Prozent der Anfragenden sind Fachleute aus Medizin, Pharmazie, Pflege, Psychotherapie und anderen Gesundheitsberufen. Prinzipiell kann sich jeder an uns wenden, der Fragen zum Thema Krebs hat. Wir bekommen auch regelmäßig Anfragen von Schülerinnen und Schülern oder von Studierenden und Auszubildenden in Gesundheitsberufen, die gerade eine Arbeit zum Thema Krebs schreiben oder sich auf eine Prüfung vorbereiten. Und wir unterstützen auch Journalisten, die zum Thema Krebs recherchieren. Hier machen wir es so, dass wir auch Hilfe zur Selbsthilfe geben. Wir passen in diesen Fällen unsere Antworten an den Kontext der Fragestellenden an und nennen, wenn es Sinn macht, auch die Quellen, auf die wir uns beziehen. Wendet sich jemand aus einem anderen Land an uns, muss er oder sie wissen, dass wir als Nationales Referenzzentrum für Krebsinformation über die in Deutschland geltenden Standards und rechtlichen Bedingungen informieren. Auskünfte zu anderen Ländern können wir in der Regel nicht geben.

Was machen Sie, wenn es keine klare, eindeutige Antwort gibt?

Dr. Stefanie Klein: Das kommt natürlich auch vor. Das Gebiet der Krebserkrankungen ist sehr komplex und bei jeder Erkrankung gibt es individuelle Besonderheiten zu berücksichtigen. Gibt es keine eindeutige Antwort auf eine Frage, versuchen wir die unterschiedlichen Aspekte möglichst klar darzulegen. Nicht selten gibt es für eine Krebserkrankung verschiedene Therapiemöglichkeiten, und die Betroffenen sind in der schwierigen Situation, sich entscheiden zu müssen. Wir werden dann auch schon mal gefragt, welche Entscheidung wir als Expertinnen empfehlen. Da stoßen wir dann an unsere Grenzen. Als Informationsdienst können wir aufzeigen, dass es für eine bestimmte Krebserkrankung verschiedene Behandlungsmethoden gibt. Wir können die Therapien beschreiben und Vor- und Nachteile benennen. Wir können aber keinen Rat geben und eine bestimmte Therapie empfehlen. Das Beratungsgespräch ist Aufgabe der behandelnden Ärztinnen und Ärzte. Wir sagen den Anfragenden in solchen Fällen immer, dass sie noch mal mit ihren Ärzten sprechen sollen, die ja ihre Untersuchungsergebnisse und individuelle Krankheitssituation genau kennen. Sie sind am ehesten in der Lage, in einer schwierigen Entscheidungssituation zu helfen. Mit unseren Informationen bereiten wir die Anfragenden quasi auf ein solches Gespräch vor, damit sie die richtigen Fragen stellen können, um die bestmögliche Entscheidung gemeinsam mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt zu treffen.

Wenn man eine Krebsdiagnose erhält, ist oft eine der ersten Entscheidungen, die man treffen muss, in welcher Klinik man sich behandeln lassen möchte. Welche Auskunft können Sie hierzu geben?

Dr. Stefanie Klein: Wenn uns jemand per E-Mail nach Behandlungszentren fragt, verschicken wir in der Regel Links zu Internetportalen wie zum Beispiel oncomap.de oder auch unserer eigenen Homepage krebsinformationsdienst.de, die Behandlungszentren und Ansprechpartner für die jeweilige Krebsart nennen. Wenn uns jemand anruft, können wir im Gespräch oftmals über gezieltes Nachfragen die Anzahl der geeigneten Krebsbehandlungszentren einschränken. Bei sehr seltenen Krebserkrankungen kann es auch schon mal sein, dass es nur wenige Kliniken gibt, die infrage kommen. Das ist zum Beispiel bei neuroendokrinen Tumoren der Fall. Hier gibt es in Deutschland 13 Therapiezentren. Sie werden alle von einer europäischen Organisation koordiniert und zertifiziert. Da versenden wir dann einen Link zu deren Homepage, auf der diese Zentren vorgestellt werden. Auch hier dürfen wir über die Zentren nur informieren und keine Empfehlung aussprechen.

Wie sieht es mit der Qualifikation der KID-Mitarbeitenden aus?

Dr. Stefanie Klein: Alle Kollegen im direkten Kontakt mit unseren Anfragenden sind Ärztinnen und Ärzte. Wir haben sehr hohe Qualitätsstandards bei der Informationsvermittlung, die wir regelmäßig überprüfen. Die Anfragen, die wir beantworten, dokumentieren und evaluieren wir in anonymisierter Form. Die Erkenntnisse, die wir daraus ziehen können, tragen dazu bei, die Versorgung von Krebspatientinnen und -patienten zu verbessern. Wenn zum Beispiel von Krebs Betroffene uns häufig nach Informationen zu psychologischer Unterstützung fragen, können wir daraus unter Umständen auf einen spezifischen psychologischen Beratungsbedarf schließen. Das wiederum können Kliniken und Therapeuten bei ihren Behandlungsangeboten berücksichtigen.

Wie stellen Sie die Qualität der Informationen sicher?

Dr. Stefanie Klein: Unser Hintergrundteam Wissensmanagement hat unter anderem die Aufgabe, unsere interne Wissensdatenbank, die wir für die Beantwortung der Anfragen nutzen, auszubauen und auf dem neusten Stand zu halten. In dieser Datenbank haben wir rund 600 Texte zu allen möglichen Aspekten zum Thema Krebs, etwa zu den verschiedenen Krebsarten, ihrer Behandlung, zu Risikofaktoren, zur Diagnostik, zu sozialrechtlichen Fragen und psychosozialen Angeboten. Alle Inhalte basieren auf wissenschaftlichen oder anderen geeigneten Quellen. Das Team überprüft alle Informationsquellen auf ihre Seriosität und ihre wissenschaftliche Bedeutung.

Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durchlaufen regelmäßig Schulungen und Fortbildungen, nicht nur zu aktuellen Entwicklungen in der Krebsforschung und -medizin, sondern auch zu Techniken der Wissensvermittlung und Gesprächsführung sowie zum zielgruppenspezifischen Bedarf an Gesundheitsinformation. Hinzu kommt, dass wir zur Qualitätssicherung regelmäßig eine gewisse Anzahl an Telefongesprächen, wenn die Anrufer dem zustimmen, aufzeichnen. Die Mitarbeiterin, die das Gespräch geführt hat, bespricht dann den Gesprächsverlauf gemeinsam mit Kolleginnen. Zudem finden Coachings mit externen Trainern statt. Alle schriftlichen Informationen, die über E-Mails, Briefe, Internet oder SocialMedia nach draußen gehen, durchlaufen einen mehrstufigen Redaktionsprozess. Das gilt auch für die Texte in der internen Wissensdatenbank.

Eine Krebsdiagnose ist immer auch eine große psychische Belastung für die Betroffenen und ihre Angehörigen. Kann man sich auch hierzu an den KID wenden?

Dr. Stefanie Klein: Wir haben eine Psychoonkologin in unserem Wissensmanagement-Team, die zum Thema psychosoziale Belastung bei Krebs viele Texte für unsere Wissensdatenbank erstellt hat und mit neuen Themen ergänzt. So können wir also auch auf diesem Gebiet viele Fragen beantworten und mit Informationen unterstützen. Auf unserer Website bieten wir darüber hinaus eine Suche nach psychoonkologischen Praxen und Krebsselbsthilfegruppen an. Dort nennen wir auch mehr als 300 Krebsberatungsstellen. Die Mitarbeitenden dort haben oftmals eine psychoonkologische Zusatzqualifikation.

Wie viele Anfragen beantwortet der KID im Jahr?

Dr. Stefanie Klein: Im letzten Jahr haben wir rund 23.000 Anfragen beantwortet. Die meisten interessierten sich für das Thema Behandlungsmethoden. Die am häufigsten nachgefragten Krebsarten sind bei Frauen Brustkrebs und bei Männern Prostatakrebs. Generell kann man sagen, dass deutlich mehr Frauen als Männer unsere Dienste in Anspruch nehmen.

Und über welchen Weg bekommen Sie die meisten Anfragen?

Dr. Stefanie Klein: Mit Abstand am häufigsten ist das Telefongespräch. Rund 70 Prozent erreichen uns über diesen Kanal. Ein Gespräch dauert durchschnittlich etwas mehr als 20 Minuten. 28 Prozent schreiben uns eine E-Mail. Die meisten, die sich heute über Krebs informieren wollen, suchen ja zunächst im Internet. Viele, die sich an uns wenden, waren zuerst auf unserer Website. Auf individuelle Fragen findet man hier allerdings nicht immer eine zufriedenstellende Antwort.

Wir haben auch eigene Broschüren und Info-Materialien, die wir regelmäßig verschicken. Stark nachgefragt wird beispielsweise unsere umfangreiche, im Juni 2021 erschienene Broschüre „Ihr Weg durch die Krebserkrankung“. Man kann sie auch auf unserer Website herunterladen. Auf große Resonanz stößt zudem unsere im Oktober 2021 gestartete Online-Veranstaltungsreihe. Ein externer Experte und eine Vertreterin des KID referieren zu einem häufig nachgefragten Thema, wie zum Beispiel Ernährung bei Krebs. Im Anschluss können die Teilnehmenden online Fragen stellen.

Seit Juni dieses Jahres bieten wir einen Chat an. Hier wollen wir jüngeren Menschen ein niederschwelliges Kommunikationsangebot machen. Einfache Anfragen, etwa zu einer ersten Einschätzung oder zu Ansprechpartnern, lassen sich in einem Chat schneller erledigen. Das ist beispielsweise auch der Fall, wenn jemand wissen möchte, ob ein erbliches Risiko in der Familie vorliegt, weil es bereits drei Krebsfälle gibt. Da würden wir zurückfragen, ob alle Fälle auf einer Familienseite sind. Ist das der Fall und waren die Betroffenen eher jünger, dann besteht tatsächlich ein Risiko für eine genetische, also erbliche Disposition. Wir würden dann anregen, eine genetische Beratungsstelle zu kontaktieren und Anlaufstellen nennen. Bei komplexen Fragestellungen sind E-Mail und Telefon besser für die Kommunikation geeignet als der Chat.

Wie sieht es mit dem Datenschutz aus?

Dr. Stefanie Klein: Am Telefon und per E-Mail können Nutzer auf Wunsch völlig anonym bleiben. Niemand muss seinen Namen nennen. Es ist oft sinnvoll, nach der Tumorart, dem Alter, Wohnort, Geschlecht und etwaigen Vorerkrankungen zu fragen. Je mehr wir über die individuelle Situation wissen, desto gezielter können wir informieren. Und natürlich sind alle Angaben freiwillig. Wir speichern keine personenbezogenen Daten, die eine Identifikation möglich machen, über die Bearbeitung des Anliegens hinaus und geben solche Daten auch nicht an Dritte weiter.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Dr. Klein!

Videos des Deutschen Krebsforschungszentrums

Die Beteiligungsplattform fragdiepatienten.de

Die Erfahrungen und Wünsche von Krebspatientinnen und -patienten sowie Angehörigen in die Krebsforschung miteinfließen zu lassen, ist Ziel der Internetplattform fragdiepatienten.de, die im September 2021 online ging. Sie gehört zum Deutschen Krebsforschungszentrum und wird vom Krebsinformationsdienst redaktionell und inhaltlich betreut.