GesundesWissen
„Zutiefst sinnvoll, lebensbejahend und schön“
Drei Fragen an den Philosophen Dr. Christoph Quarch zur Bedeutung des Spielens für ein gesundes und erfülltes Leben.
Birgit Weidt: Warum ist Spielen so wichtig und hat solch positive Auswirkungen auf Erwachsene?
Dr. Christoph Quarch:Friedrich Schiller sagte einmal, dass der Mensch überhaupt nur „da ganz Mensch ist, wo er spielt“. Spielen ist ein zutiefst menschliches Bedürfnis, bei dem wir Qualitäten unseres Daseins entfalten und erproben können, die unter der alltäglichen Betriebsamkeit und Geschäftigkeit meistens zu kurz kommen: Spiele führen Menschen zusammen, verbinden sie über soziale, ethnische und kulturelle Grenzen hinweg. Spiele öffnen Räume für Kreativität und Schöpfergeist. Wer spielt, erlebt ein hohes Maß an Freiheit, denn beim Spielen muss man nicht – wie sonst – funktionieren, effizient und produktiv sein, sondern darf sich einfach zeigen, wie man ist. Spielen ist zwar zweckfrei und nach Maßgabe der alles beherrschenden ökonomischen Rationalität nutzlos, aber gerade deshalb für die Spielenden zutiefst sinnvoll, lebensbejahend und schön. Kurzum: Wo Menschen spielen, dürfen sie in einer zunehmend kalten und technisierten Welt wieder ganz ursprünglich sie selbst sein.
Birgit Weidt: Macht es eigentlich einen Unterschied für unser Gehirn, ob man jongliert, Patiencen legt oder sich mit anderen zu Doppelkopf oder Memory trifft?
Dr. Christoph Quarch:Zweifellos, denn unterschiedliche Spiele regen unterschiedliche neuronale Zentren und Netzwerke an. Ein Geschicklichkeitsspiel wie Jonglieren betrifft mehr die Motorik, Memory die Kognition. Patiencen dagegen sind im Wesentlichen reine Glücksspiele. Je komplexer ein Spiel ist und je mehr Varianten oder Spielzüge es zulässt, desto spannender und interessanter ist es – und desto mehr ist es dazu angetan, uns zu begeistern und zu beseelen. Ich unterscheide in meinen spielphilosophischen Arbeiten vier Spielfamilien, die diese Diversität abbilden: Schauspiele, Glücksspiele, Geschicklichkeitsspiele und Gewinnspiele. Besonders populäre Spiele wie Fußball vereinen in sich diese Spielfamilien, sie verbinden die Logik des Gewinnens mit der Logik des Gelingens, des Zufalls und des Offenbarens.
Birgit Weidt: Hat die Freude am Spielen auch damit zu tun, dass sich ein Gefühl wie aus der Kindheit einstellt?
Dr. Christoph Quarch: Der entscheidende Punkt scheint mir zu sein, dass Spiele eine Parallelwelt öffnen, in der wir vom alltäglichen Zwang des Funktionierens befreit sind. Weil wir im Spiel ausschließlich der Logik des Spiels folgen und nicht der Logik der Ökonomie, können wir im Spielraum unsere Potenziale zu Kreativität und Phantasie entfalten. So war es auch in unserer Kindheit der Fall, als uns die ganze Welt wie ein einziger Spielplatz erschien. So war es, als wir auf diese Weise heimisch wurden in unserer Welt und sie spielerisch erschlossen und verstanden. So war es, als noch jeder Käfer und jeder Stein ein Mitspieler war, zu dem wir „Du“ sagen konnten. Diese Zeit der Kindheit ist unwiderruflich vorbei, aber bei allen guten Spielen schwingt sie nochmals nach. Und genau deshalb sind gute Spiele Quellen der Lebendigkeit und der Gesundheit.