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Schutz und Hilfe im Katastrophenfall

Überflutungen, Dürren, Pandemie, Gasmangellage, Cyberattacken – an Krisen mangelte es in den letzten Jahren nicht. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe in Bonn, kurz BBK, hat den Auftrag, uns im Katastrophenfall zu schützen. Mit welcher Strategie und mit welchen Mitteln das BBK dies tut, darüber sprachen wir mit dem stellvertretenden Pressesprecher Sebastian Schug.

BKKiNFORM: Welche Aufgaben nimmt das BBK wahr?

Sebastian Schug: Gesetzlich haben wir den Auftrag, die Bevölkerung im Verteidigungsfall zu schützen. Ziel ist es außerdem, die Menschen in Deutschland vor Gefahren und Schäden zu schützen, die durch Katastrophen, Krisen und andere Notlagen entstehen können. Konkret bedeutet das, dass das BBK verschiedene Maßnahmen ergreift, um die Vorbereitung und Bewältigung von Katastrophen und Krisen zu verbessern. Dazu gehört zum Beispiel die Erstellung von Notfallplänen und Handlungsempfehlungen für unterschiedliche Szenarien. Das BBK führt außerdem regelmäßig Übungen und Tests durch, um die Funktionsfähigkeit von Alarm- und Warnsystemen sowie die Zusammenarbeit der verschiedenen Behörden und Organisationen zu überprüfen. Darüber hinaus ist das BBK auch zuständig für die Informations- und Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung. Es informiert über mögliche Gefahren und gibt Tipps zur Vorsorge und Verhaltensweise im Notfall. Wir arbeiten eng mit anderen Behörden und Organisationen zusammen, um im Ernstfall schnell und effektiv helfen zu können.

Wie sind Zuständigkeiten und Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen in der Katastrophenhilfe organisiert?

Sebastian Schug: Damit die Menschen in Deutschland sicher leben können, verfügen wir über ein gesamtgesellschaftliches Sicherheitssystem auf Ebene von Bund, Ländern und Kommunen. Der Brand- und Katastrophenschutz liegt in der Verantwortung der Länder und Kommunen und hat das Ziel, die Bevölkerung in Friedenszeiten vor Katastrophen, beispielsweise schweren Naturkatastrophen oder großen Unfällen bzw. Unglücken, zu schützen. Der Schutz der Bevölkerung vor kriegsbedingten Gefahren liegt hingegen in der Zuständigkeit des Bundes. Hier sprechen wir von Zivilschutz. Diese Unterscheidung sieht das Grundgesetz vor.

Trotz der unterschiedlichen Zuständigkeiten verfügt Deutschland über ein sogenanntes integriertes Hilfeleistungssystem. Das heißt, dass der Zivilschutz auf den in den Kommunen, Kreisen und Ländern vorhandenen Ressourcen für den Katastrophenschutz und der allgemeinen, nicht polizeilichen Gefahrenabwehr aufbaut. Gleichzeitig können die Ressourcen des Bundes für den Zivilschutz, beispielsweise zivilschutzfähige Fahrzeuge der Medizinischen Task Force oder Löschgruppenfahrzeuge, die der Bund den Ländern als ergänzende Ausstattung zur Verfügung stellt, auch im Katastrophenschutz eingesetzt werden.

Wissenschaftler gehen davon aus, dass es aufgrund des Klimawandels vermehrt zu extremen Wetterereignissen wie der verheerenden Flutkatastrophe im Ahrtal kommen kann und damit auch die Gefahr von Katastrophenereignissen zunimmt. Haben Bund, Länder und Kommunen ihre Katastrophenschutzpläne an die veränderten Bedingungen angepasst?

Sebastian Schug: Das BBK beschäftigt sich schon lange mit den Veränderungen des Klimas und deren Folgen. Auf Bundesebene steht das BBK bereits seit vielen Jahren im engen Austausch mit zahlreichen Akteuren, erarbeitet und setzt Maßnahmen auf Bundesebene um, um Deutschland für den Klimawandel zu wappnen. Dazu zählt beispielsweise die Förderung der Selbsthilfefähigkeit der Bevölkerung durch Informations- und Selbstschutzkampagnen oder die Durchführung von Forschungsprojekten zur Verbesserung des Umgangs mit Extremwetterereignissen. Basis dieser Maßnahmen ist u. a. die Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel (DAS) von 2008, die derzeit in Zusammenarbeit mit Partnern wie z.B. dem Deutschen Wetterdienst zu einer neuen vorsorgenden Klimaanpassungsstrategie weiterentwickelt wird. Parallel zu den Aktivitäten auf Bundesebene haben auch viele Bundesländer, Regionen und Kommunen eigene Konzepte zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels entwickelt oder arbeiten derzeit daran. Da sich die Folgen des Klimawandels regional differenziert bemerkbar machen, sind die Aktivitäten auf regionaler und kommunaler Ebene entsprechend auf spezifische Inhalte ausgerichtet. Der Katastrophenschutz findet jedoch bereits in vielen dieser Strategien als eigenes Handlungsfeld Berücksichtigung.

Die Starkregenereignisse 2021 haben dabei noch mal gezeigt, wie wichtig es ist, Bevölkerungsschutz als Gemeinschaftsaufgabe zu betrachten. Nur so können wir die gesamtgesellschaftliche Resilienz gegenüber Krisen stärken. Die zahlreichen Einsatzkräfte aus Bund und Ländern, die Feuerwehren und das THW oder auch private Hilfsorganisationen, die teils auch noch Monate nach der Flutkatastrophe zur Stelle waren, haben auf eindrückliche Weise deutlich gemacht, wie länder- und organisationsübergreifendes Teamwork funktioniert. In Deutschland agieren im Bevölkerungsschutz zahlreiche Akteure mit unterschiedlichen Kompetenzen und Fähigkeiten in einem komplexen Hilfeleistungssystem.

Ein Schwerpunkt ist daher der Ausbau der fachübergreifenden Zusammenarbeit mit Expertinnen und Experten im Bevölkerungsschutz. Deshalb haben Bund und Länder vereinbart, ein Gemeinsames Kompetenzzentrum Bevölkerungsschutz beim BBK zu errichten. Akteure aus Bund und Ländern sitzen in diesem Knotenpunkt an einem Tisch. Ziel dieser stärkeren Vernetzung ist es, durch strategische Lagebilder, aussagekräftige Prognosen oder durch Informationen zum Ressourcenmanagement vor und in Krisen schnell handlungsfähig zu sein. Um Länder und Kommunen bei der Identifizierung und Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen im Bereich des Bevölkerungsschutzes zu unterstützen, spricht das BBK außerdem Empfehlungen für die Praxis aus. Im 2022 erschienenen Handbuch „Starkregen – Herausforderung für den Bevölkerungsschutz“ beispielsweise werden umfangreiche Handlungsvorschläge zum Umgang mit Starkregen von der Prävention über die Bewältigung bis hin zur Nachsorge dargelegt. Wenn vieles davon auch in die Katastrophenschutzplanungen der Länder und Kommunen einfließt, ist der Bevölkerungsschutz für die nächste Extremwetterlage gut gewappnet.

Unter dem Begriff LÜKEX finden regelmäßig Übungen für verschiedenste Krisenszenarien statt. Was muss man sich darunter vorstellen?

Sebastian Schug: Die Abkürzung LÜKEX steht für "Länder- und ressortübergreifende Krisenmanagementübung". Bund und Länder sowie Unternehmen der Kritischen Infrastruktur kommen für ein fiktives Übungsszenario zusammen. Das Ziel ist, während der simulierten Krisen von- und miteinander zu lernen und so im Ernstfall Entscheidungsfindungen zu erleichtern, was wiederum schnelles und effizientes Handeln ermöglicht.

Seit 2004 wird in der LÜKEX das nationale Krisenmanagement in Deutschland auf strategischer Ebene regelmäßig überprüft und optimiert. Diese Übungen tragen dazu bei, dass sich Bund und Länder anhand von fiktiven Worst Case-Szenarien besser auf außergewöhnliche Krisen- und Bedrohungslagen vorbereiten können sowie bestehende Pläne und Bewältigungskonzepte auf die Probe stellen. Die nächste LÜKEX findet übrigens vom 25. bis 29. September statt. Das geplante Übungsthema lautet „Cyberangriff auf Regierungshandeln“.

Auf welche Katastrophenszenarien müssen wir uns in Zukunft vor allem einstellen?

Sebastian Schug: Wir müssen als Gesellschaft insgesamt über bisherige Gewissheiten hinausdenken – dies haben uns die Krisen der vergangenen Jahre deutlich gezeigt. Das nicht Denkbare trotzdem zu denken und sich darauf vorzubereiten zählt seit jeher zu den Hauptaufgaben des BBK. Auch deshalb gibt es jährliche Risikoanalysen zu unterschiedlichen Szenarien. Pandemie, Gasmangellage, Sturmflut oder Dürre waren zum Beispiel Themen in den vergangenen Jahren bei der LÜKEX. Aber auch Gefahren im Zusammenhang mit dem Klimawandel und den damit einhergehenden Folgen wie einer Zunahme von extremen Wetterereignissen werden in sämtlichen relevanten Aufgabenfeldern des BBK berücksichtigt.

Am 8.12.2022 gab es bundesweit einen Warn-Tag. In diesem Jahr ist für den 14. September wieder ein Warn-Tag geplant. Was ist das Ziel einer solchen Übung

Sebastian Schug: An dem Aktionstag erproben Bund und Länder sowie die teilnehmenden Kommunen in einer gemeinsamen Übung ihre Warnmittel. Ab 11 Uhr aktivieren die beteiligten Behörden und Einsatzkräfte unterschiedliche Warnmittel wie z. B. Radio und Fernsehen, digitale Stadtanzeigetafeln, Cell Broadcast oder Warn-Apps. Dabei geht es zum einen darum, die Menschen in Deutschland über die Warnung zu informieren und die Bevölkerung dafür zu sensibilisieren, damit sie im Ernstfall besser reagieren kann. Zum anderen werden auf diese Weise aber auch die technischen Abläufe im Fall einer Warnung und auch die Warnmittel selbst auf ihre Funktion und mögliche Schwachstellen hin überprüft. Im Nachgang werden von den Verantwortlichen dann Verbesserungen vorgenommen, um das System insgesamt weiter zu verbessern. Neben dem bundesweiten Warn-Tag wird in diesem Jahr in Potsdam außerdem erstmals ein Aktionstag zum Bevölkerungsschutz stattfinden: Am 24. Juni soll das Ganze mit vielen interaktiven Angeboten erlebbar gemacht werden. Wir wollen eine Sicherheitspartnerschaft mit der Bevölkerung, der Dialog ist uns deshalb besonders wichtig. Nur gemeinsam kann eine Gesellschaft insgesamt resilienter werden.

Über welche Wege wird die Bevölkerung beispielsweise vor einem drohenden extremen Unwetter gewarnt werden?
Wir setzen in Deutschland auf einen breiten Mix mit unterschiedlichen Warnmitteln. Wird eine Warnmeldung über ein bestimmtes Warnmittel von einer Person zum Beispiel nicht wahrgenommen oder fällt ein Warnmittel aus, wird gleichzeitig über eine Vielzahl anderer Warnmittel gewarnt. Je mehr Warnmittel in den Warnmittelmix einbezogen werden, desto größer ist die Chance, dass die Menschen erreicht werden. Darüber hinaus ermöglicht es der Mix, Warnmeldungen auf verschiedene Arten zu kommunizieren: So kann eine Sirene eine Warnung zwar lautstark verbreiten, jedoch sind nur einzelne Signalfolgen möglich. Der Informationsgehalt einer Meldung in einer Warn-App oder im Radio ist dagegen deutlich höher. Gerade die wichtigen ersten Handlungsempfehlungen, wie sich Betroffene im ersten Moment vor einer Gefahr schützen können, werden erst auf diesem Weg darstellbar. Und schließlich können Warnungen so auf akustischem, visuellem und haptischem (z. B. dem Vibrationsalarm eines Smartphones) Wege verbreitet werden.

Wenn es zur Gefahrenabwehr zu einer Evakuierung der Bevölkerung in einer bestimmten Region kommt, etwa weil sie aufgrund eines kurz bevorstehenden Unwetters von Überflutung bedroht ist, wie werden die Betroffenen informiert?

Sebastian Schug: Das geschieht ebenfalls über die eben erwähnten Warnmittel. Zu welchen Ereignissen und mit welcher konkreten Handlungsempfehlung gewarnt wird, entscheiden allerdings die Länder bzw. Kommunen und deren Leitstellen der Feuerwehr oder der Polizei. Vor Ort wird auch entschieden, ob überhaupt evakuiert wird und wenn, wie genau. Ähnlich verhält es sich mit den Wetter- und Hochwasserwarnungen in der Warn-App NINA. Erstere werden direkt vom Deutschen Wetterdienst, Letztere vom länderübergreifenden Hochwasserportal übernommen.

Unmittelbar nach der Flutkatastrophe im Ahrtal war die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung riesig. Jeder wollte helfen, und in Einzelfällen führte dies leider auch zu Behinderung der eigentlichen koordinierten Hilfe. Wie können Menschen sinnvoll und gezielt, also in Abstimmung mit den offiziellen Maßnahmen, helfen?

Sebastian Schug: Zum Beispiel durch ehrenamtliches Engagement. Was viele nicht wissen: In Deutschland wird der Zivil- und Katastrophenschutz hauptsächlich vom Ehrenamt getragen. Wir wollen die Rahmenbedingungen für das Ehrenamt in Deutschland verbessern. Um Ehrenamtliche und Hilfsorganisationen besser zu vernetzen, organisieren wir Förderprogramme, investieren Geld in eine bessere Zusammenarbeit, sensibilisieren und informieren auf unserer Homepage. Wer sich ehrenamtlich im Bevölkerungsschutz engagieren oder sich einfach nur über Themen wie ehrenamtliche Hilfe, Katastrophenhilfe und Bevölkerungsschutz informieren möchte, findet alles im Netz auf mit-dir-fuer-uns-alle.de.

Welche psychosozialen Hilfsangebote gibt es von staatlicher Seite aus für die Betreuung von Betroffenen von Naturkatastrophen?

Sebastian Schug: Für Betroffene von Naturkatastrophen im Inland gibt es eine Vielzahl von Anlaufstellen und Unterstützungsangeboten der Länder und Kommunen sowie von Hilfsorganisationen und Wohlfahrtsverbänden. In der akuten Lage werden hier, wie auch bei anderen Schadensereignissen, Teams der Notfallseelsorge, Krisenintervention und Notfallpsychologie Psychosoziale Akuthilfen anbieten. Im weiteren Verlauf stehen dann Psychosoziale Hilfen wie Beratungsstellen und weitere professionelle Hilfsangebote wie Trauma-Ambulanzen zur Verfügung.

Sind deutsche Staatsangehörige im Ausland von Naturkatastrophen oder anderen Schadensereignissen betroffen, stehen ihnen die deutschen Vertretungen vor Ort als Ansprechpartner am Unglückort zur Verfügung. Im Inland bietet die Koordinierungsstelle NOAH im BBK sowohl den direkt Betroffenen nach ihrer Rückkehr nach Deutschland als auch den in Deutschland lebenden Angehörigen bzw. weiteren nahestehenden Personen eine akute und längerfristige psychosoziale Versorgung an. NOAH steht für „Nachsorge, Opfer- und Angehörigenhilfe“ und wurde Ende des Jahres 2002 als zentrale Ansprechstelle nach schweren Unglücksfällen, Terroranschlägen und Naturkatastrophen im Ausland, von denen Deutsche betroffen sind, geschaffen.

Vielen Dank für das Interview, Herr Schug.

Wo finde ich Informationen, um mich sinnvoll auf Notsituationen vorzubereiten?

Auf der Homepage des BBK finden sich Empfehlungen zur Vorsorge für verschiedene Notsituationen, unter anderem zur Bevorratung von Lebensmitteln und Getränken, zum Anlegen einer Hausapotheke, zur griffbereiten Zusammenstellung von Dokumenten oder zur Vorbereitung eines Notgepäcks.

„Unsere Empfehlungen sind jedoch keine verbindliche Vorgabe. Notfallvorsorge ist eine sehr individuelle Angelegenheit. Bei der Bevorratung sollten beispielsweise unterschiedliche Lebensmittelunverträglichkeiten oder individuelle Vorlieben und Abneigungen sowie persönliche Umstände hinsichtlich Lagerungsmöglichkeiten berücksichtigt werden – daher sollte jeder Mensch für sich selbst die ideale Zusammensetzung seines Vorrats finden“, so das BBK.

Erklärvideos des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK)

Weitere Erklärvideos gibt es in der Mediathek des BBK.