GesundesWissen

Kohlenhydrate: heiß geliebt oder kalt verachtet

Seit geraumer Zeit sind sie nicht mehr so häufig in aller Munde – die Rede ist von Kohlenhydraten. Aufgrund ihres Einflusses auf den Blutzuckerspiegel sind sie etwa bei Low-Carb-Anhängern (engl.: low carbohydrates, dt.: wenige Kohlenhydrate) verpönt. Doch worum handelt es sich bei Kohlenhydraten überhaupt? Wozu dienen sie? Und machen sie wirklich dick?

Was sind Kohlenhydrate?

Kohlenhydrate gehören zu den Nährstoffen und entstehen bei der Photosynthese der Pflanzen: Das über die Wurzeln aufgesaugte Wasser und das über die Blätter aufgenommene Kohlendioxid werden mithilfe von Lichtenergie zu Sauerstoff und Zucker bzw. Kohlenhydraten umgewandelt. Kohlenhydrat ist jedoch nicht gleich Kohlenhydrat. Nach ihrem Molekülaufbau unterteilt man Kohlenhydrate in Einfach-, Zweifach-, Mehrfach- und Vielfachzucker.

Photosynthese

  • Einfachzucker (Monosaccharide) besteht aus nur einem einzigen Zuckermolekül und ist daher leicht verwertbar. Zu den Einfachzuckern zählen u. a. Traubenzucker (Glukose), Fruchtzucker (Fruktose) und Schleimzucker (Galaktose).

  • Zweifachzucker (Disaccharide) setzt sich aus zwei einfachen Zuckermolekülen zusammen. Unter diese Kategorie fallen die im Haushalt häufig verwendeten Rohr- und Rübenzucker (Saccharose), der in Getreide und Bier vorkommende Malzzucker (Maltose) und der Milchzucker (Laktose).

  • Mehrfachzucker (Oligosaccharide) besteht aus drei bis zehn gleichen oder unterschiedlichen Einfachzuckern und ist u. a. in Hülsenfrüchten, Kohl und Sojabohnen enthalten.

  • Zu den Vielfachzuckern (Polysaccharide) rechnet man u. a. Stärke und den Ballaststoff Zellulose. Sie bestehen aus mindestens elf einfachen Zuckermolekülen und sind daher schwerer verdaulich als Einfach- oder Zweifachzucker. Zellulose ist sogar weitgehend unverdaulich und hat daher den geringsten Energiegehalt im Vergleich zu den übrigen Kohlenhydraten. Die Abgrenzung zu den Mehrfachzuckern ist fließend. So werden in der Fachliteratur zuweilen die Mehrfachzucker den Vielfachzuckern zugeordnet.

Zuckeralkohole bzw. Zuckeraustauschstoffe

Dann gibt es noch die Zuckeralkohole (mehrwertige Alkohole, Alditole bzw. Polyole). Sie gehören nicht direkt zu den Kohlenhydraten, leiten sich aber von ihnen ab. Im Körper werden sie weitgehend insulinunabhängig verwertet und führen daher zu keinem nennenswerten Anstieg des Blutzuckers. Viele von ihnen finden als kalorienarme bzw. kalorienlose Zuckeraustauschstoffe Verwendung, so z. B. Sorbit, Mannit, Isomalt, Maltit, Lactit, Xylit (Birkenzucker) und Erythrit. Sie schmecken süß, erreichen jedoch nicht die gleiche Süßkraft wie Haushaltszucker und müssen daher ggf. höher dosiert werden, wodurch sich – je nach Art des Zuckeralkohols – die Kalorienzahl erhöhen kann. Ein übermäßiger Verzehr wirkt abführend, weil Zuckeralkohole im Darm Wasser binden und so den Stuhl verflüssigen. Das komplett kalorienlose Erythrit gilt hingegen als bekömmlich und verursacht, in vernünftigem Maß genossen, keine Verdauungsbeschwerden.

Zuckeralkohole haben übrigens keine berauschende Wirkung wie Ethanol (Trinkalkohol) und sind in dieser Hinsicht für Kinder und Menschen mit Alkoholproblemen unbedenklich.

Interessant für Freunde der Low-Carb-Ernährung: Bei den Nährwertangaben auf Lebensmittelverpackungen werden Xylit und Erythrit meist unter den Kohlenhydraten gelistet, haben aber einen geringen (Xylit) bis gar keinen (Erythrit) Einfluss auf die Kohlenhydratbilanz. Wer sich kohlenhydratarm ernähren möchte, kann also problemlos auf xylithaltige Kaugummis zurückgreifen, ohne sich die Zähne oder die Figur zu ruinieren.

Vorsicht ist bei Xylit (Birkenzucker) und bestimmten Haustieren geboten! Bei Hunden, Rindern, Ziegen und Kaninchen kann Xylit schon in geringen Mengen eine Insulinausschüttung auslösen, die den Blutzucker lebensbedrohlich zu senken vermag. Speziell bei Hunden wurden zudem schwere Leberschäden beobachtet. Xylithaltige Bonbons und Ähnliches sind daher für Ihre Haustiere tabu! Bei Menschen und Katzen tritt diese Stoffwechselproblematik nicht auf. Mit Xylit angereichertes Wasser wirkt sich bei Katzen sogar positiv auf die Mundhygiene aus. Achten Sie bitte darauf, dass andere im Haushalt lebende Tiere keinen Zugang dazu haben!

Süßstoffe

Süßstoffe sind nicht mit den zuvor beschriebenen Zuckeralkoholen bzw. Zuckeraustauschstoffen zu verwechseln. Zwar fallen beide in die Kategorie Zuckerersatzstoffe, jedoch handelt es sich bei Süßstoffen um synthetisch hergestellte (u. a. Aspartam, Cyclamat, Saccharin, Sucralose) oder natürliche Verbindungen (z. B. Stevia) mit extrem hoher Süßkraft, die fast keine Kalorien enthalten. Einige von ihnen haben aber einen z. T. als unangenehm empfundenen Beigeschmack. Die synthetisch hergestellten Süßstoffe zählen nicht zu den Kohlenhydraten.

Zuckeralkohole gelten bislang als gesundheitlich unbedenklich, Süßstoffe in Maßen genossen sehr wahrscheinlich auch.

In einer Stellungnahme vom 7. Februar 2023 hat das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) „bewertet, ob der vermehrte Einsatz von Süßungsmitteln ein Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung birgt. Dazu hat das Institut die Datenlage zu den fünf am häufigsten eingesetzten Süßstoffen – Sucralose, Acesulfam K, Saccharin, Aspartam und Cyclamat – bewertet. […] Aus Sicht des BfR kann nach Auswertung der vorliegenden Studien keine eindeutige Aussage darüber getroffen werden, ob der Verzehr von süßungsmittelhaltigen Getränken das Risiko für bestimmte neurodegenerative Krankheiten erhöht oder die Darmflora in klinisch bedeutsamem Maße beeinflusst. In der Mehrheit der Studien wurde kein negativer Effekt der betrachteten Süßstoffe auf den Stoffwechsel (Blutzucker, Insulinsekretion, Insulinsensitivität) beobachtet. Auch ist nach derzeitigem Stand des Wissens nicht klar, ob Risikogruppen wie Kinder, Schwangere oder Personen mit bestimmten Vorerkrankungen stärker von möglichen negativen Effekten der Süßungsmittel betroffen wären. […] Zudem gibt es einige Besonderheiten für einzelne Süßstoffe, die in der gesundheitlichen Bewertung zu berücksichtigen sind. So weist beispielsweise die aktuelle Datenlage darauf hin, dass beim Erhitzen von Sucralose möglicherweise gesundheitsschädliche und zum Teil krebserzeugende Verbindungen entstehen können. […]“

In einer Stellungnahme des BfR vom 1. Juli 2014 bewerten internationale Expertengremien den Genuss von Zuckeralkoholen wie Sorbit, Mannit, Isomalt, Polyglycitolsirup, Maltit, Lactit, Xylit und Erythrit als gesundheitlich unbedenklich. Tafelsüßen und Lebensmittel, die mehr als 10 % dieser Süßungsmittel enthalten, müssen allerdings den Hinweis tragen: "kann bei übermäßigem Verzehr abführend wirken".

Wer seinem Körper etwas Gutes tun möchte, sollte es sowohl mit Zucker als auch mit Zuckerersatzstoffen nicht übertreiben und möglichst ungesüßte Lebensmittel und Getränke zu sich nehmen. Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen auf Zucker verzichten möchten oder müssen, sollten am besten ihren Hausarzt konsultieren, um aus der Vielzahl der Zuckerersatzstoffe die geeigneten herauszufinden.

Wozu dienen Kohlenhydrate?

Gemeinsam mit Proteinen (Eiweißen) und Fetten zählen Kohlenhydrate zu den Makronährstoffen, die unseren Körper mit Energie versorgen und von denen wir verhältnismäßig viel benötigen, um unsere Körperfunktionen aufrechtzuerhalten. Sehr viel weniger benötigen wir von den Mikronährstoffen wie Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen, die uns zwar keine Energie liefern, jedoch nicht minder wichtig sind – ohne sie würde unser gesamter Stoffwechsel samt Immunsystem nicht funktionieren.

Kohlenhydrate machen einen Großteil unserer Ernährung aus. Sie sind als Energielieferant schneller verfügbar als Fette oder Proteine. Im Verdauungstrakt werden komplexe Kohlenhydrate in Einfachzucker aufgespalten. Aus Zweifach-, Mehrfach- oder Vielfachzuckern entstehen so Glukose, Fruktose oder Galaktose. Fruktose und Galaktose werden wiederum in der Leber zu Glukose umgewandelt und über die Blutbahn zur Energieversorgung bereitgestellt.

Ein Teil der Glukose wird als Glykogen abgespeichert – etwa zu einem Drittel in der Leber und zu zwei Dritteln in den Muskeln. Das in der Leber abgespeicherte Glykogen wird für die Aufrechterhaltung des Blutzuckerspiegels benötigt und dient darüber hinaus der Glukoseversorgung des Nervengewebes und der Erythrozyten sowie dem Erhalt der Körpertemperatur. Das in den Muskeln abgespeicherte Glykogen wird ausschließlich von den Muskeln selbst verbraucht.

Steigt der Blutzuckerspiegel aufgrund kohlenhydratreicher Nahrung an, schüttet die Bauchspeicheldrüse das Hormon Insulin aus, um die Glukose aus der Blutbahn in die Körperzellen zu transportieren. Insulin wirkt sich also blutzuckersenkend aus. Das Hormon Glukagon lässt hingegen den Blutzuckerspiegel steigen, indem es bei Energiebedarf dafür sorgt, dass das in der Leber gespeicherte Glykogen wieder zu Glukose aufgespalten und in die Blutbahn abgegeben wird, auch, um eine Unterzuckerung des Körpers zu vermeiden.

Bei Typ-1-Diabetikern liegt aufgrund einer Autoimmunerkrankung ein absoluter Insulinmangel vor. Dadurch kann die Glukose nicht in die Körperzellen gelangen und sammelt sich stattdessen im Blut an, bis sie über den Urin ausgeschieden wird. In früheren Zeiten wurde durch Geschmacksproben des Urins überprüft, ob ein Patient die „Zuckerkrankheit“ hatte. Schmeckte der Urin süß, war der Patient höchstwahrscheinlich ein Diabetiker. Ein hoher Blutzuckerspiegel führt dazu, dass Wasser mittels Osmose aus den Zellen ins Blut transportiert wird. Um die überschüssige Flüssigkeit auszuscheiden, erhöhen die Nieren die Urinmenge. Aus diesem Grund verspüren viele Diabetiker ständigen Durst und müssen häufiger auf die Toilette. Ohne Insulin ist die Glukoseaufnahme der meisten Zellen gestört, so dass diese Zellen stattdessen auf Fette und Eiweiße zurückgreifen müssen, um ihre Energieversorgung sicherzustellen. Unbehandelte Typ-1-Diabetiker verlieren stark an Gewicht und es kommt zu schweren Schädigungen von lebenswichtigen Organen und Gewebe, die schlimmstenfalls zu einem diabetischen Koma führen.

Auch bei Typ-2-Diabetikern ist der Blutzuckerspiegel erhöht. Schuld daran ist eine Insulinresistenz bzw. Insulinunempfindlichkeit, bei der die Körperzellen nicht richtig auf das vorhandene Insulin ansprechen. Sie ist meist Folge einer Kombination aus genetischer Veranlagung und Übergewicht.

Machen Kohlenhydrate dick?

Kommt darauf an. Im Gegensatz zu Fett, das 9 Kilokalorien pro Gramm liefert, weisen Proteine und Kohlenhydrate nur 4 Kilokalorien pro Gramm auf. Allerdings sind Kohlenhydrate aufgrund ihrer biochemischen Struktur schneller verfügbar. Und zwar umso schneller, je einfacher sie aufgebaut sind. Einfachzucker wie Glukose lassen demnach den Blutzuckerspiegel zügiger ansteigen als Vielfachzucker, der etwa in Stärke oder Ballaststoffen enthalten ist. Sobald der Blutzuckerspiegel ansteigt, wird bei einem gesunden Menschen Insulin ausgeschüttet. Das hat zur Folge, dass der Blutzucker anschließend wieder fällt. Sinkt der Spiegel unter ein bestimmtes Niveau, löst er Heißhunger aus, der dazu führt, dass man erneut Kohlenhydrate – vorzugsweise Süßes – zuführen möchte. Abermals wird Insulin ausgeschüttet – ein Teufelskreis.

Buchstäblich erschwerend kommt hinzu, dass die Fettverbrennung gehemmt wird, so lange das Insulin aktiv ist. Denn erst wenn keine Kohlenhydrate mehr zur Verfügung stehen und damit auch der Insulinspiegel niedrig ist, greift der Körper in letzter Konsequenz auf seine Fettdepots zurück. Komplexe Kohlenhydrate aus Vielfachzuckern lassen den Blutzucker nur langsam ansteigen und halten den Insulinspiegel konstant. Deshalb sollte man möglichst auf Lebensmittel mit vielen Ballaststoffen, wie z. B. Vollkornprodukte und Hülsenfrüchte, zurückgreifen.

Auch Alkohol bzw. Ethanol (ein einwertiger Alkohol, nicht zu verwechseln mit den Zuckeralkoholen) blockiert die Fettverbrennung. Alkohol wird in der Leber in Acetat umgewandelt – eine gefährliche Substanz, die unser Körper so schnell wie möglich loswerden will. Der Abbau von Alkohol hat also Vorrang vor dem von Kohlenhydraten, Fetten und Proteinen – dadurch wird der Fettstoffwechsel verlangsamt. Außerdem schlägt 1 Gramm reiner Alkohol mit 7 Kilokalorien ziemlich üppig zu Buche – fast so viel wie 1 Gramm Fett. Neben den bekannten gesundheitlichen Nachteilen, sind dies noch zwei weitere Gründe, um auf Alkohol lieber zu verzichten.

Wie eingangs gesagt, ist Kohlenhydrat nicht gleich Kohlenhydrat. Komplexe Zuckerarten, die den Blutzucker nur langsam steigen lassen, zählen zu den „guten“ Kohlenhydraten. Eine Orientierung bietet hierbei der sogenannte glykämische Index. Er zeigt an, wie sich kohlenhydrathaltige Lebensmittel auf den Blutzuckerspiegel auswirken. Lebensmittel mit niedrigem glykämischen Index lassen diesen nur langsam steigen, wohingegen hochglykämische Nahrungsmittel ihn in die Höhe schnellen lassen. Je nach Art der Zubereitung kann der glykämische Index eines Nahrungsmittels variieren: Kartoffelbrei hat beispielsweise einen höheren glykämischen Index als eine Pellkartoffel, da die im Kartoffelbrei enthaltenen Kohlenhydrate stärker aufgespalten sind und daher schneller ins Blut gehen. Das gleiche gilt für gekochte Karotten im Vergleich zu ihrem Rohzustand.

Versuchen Sie, auf Traubenzucker, Fruchtzucker und Haushaltszucker weitestgehend zu verzichten. Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Nüsse in Maßen, Salat und Wildreis sind die bessere Wahl, um langfristig gesund, schlank und fit zu bleiben oder es zu werden.