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So trainieren Sie richtig

Zahlreiche Studien belegen: Regelmäßige Bewegung und Sport stärken uns physisch und psychisch und sind eine hochwirksame Form der Vorsorge gegen viele Krankheiten wie zum Beispiel Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Doch wie viel Sport ist gesund? Und was sollte man nach einer längeren Pause beim Wiedereinstieg ins Training beachten? Wir sprachen mit Prof. Dr. Lars Donath, Leiter der Abteilung Trainingswissenschaftliche Interventionsforschung am Institut für Trainingswissenschaft und Sportinformatik der Deutschen Sporthochschule Köln.

BKKiNFORM: Man hört oft den Rat, dass Sportler nach dem Winter nicht gleich wieder voll ins Trainingsprogramm einsteigen sollten. Sehen Sie das auch so?

Prof. Dr. Lars Donath: Angemessene Ziele sind aus mehreren Perspektiven sinnvoll. Zum einen reduziert man das Risiko, den Körper zu überlasten oder sich zu verletzen. Zum anderen kann man das Training schrittweise in den Alltag integrieren, ohne gleich alles auf den Kopf zu stellen. Dafür sind Beratung, Begleitung und Unterstützung stets hilfreich.

Wie könnte zum Beispiel der Trainingseinstieg ins Jahr 2023 für jemanden aussehen, der am 11. Juni am Eifel-Marathon teilnehmen möchte?

Prof. Dr. Lars Donath: Das kommt ganz auf die persönliche Trainingshistorie und Zielstellung an: Was für ein Trainingspensum hat er oder sie im Jahr 2022 absolviert? Hat er oder sie bereits Erfahrung auf der Marathon- oder Halbmarathondistanz sammeln können? Für jemand Inaktiven würde ich eine 10-, 21- und 42-Regel empfehlen: zwei 10-km-Wettkämpfe im ersten Jahr, im Folgejahr einen Halbmarathon und im dritten Jahr einen Marathon. So kann man die Trainingsintensität und das Volumen ganz in Ruhe und schrittweise erhöhen. Wenn man am 11. Juni einen Marathon laufen möchte, sollte man schon mindestens ein Jahr Lauferfahrung vorweisen können. Je nach Zielzeit empfiehlt es sich, feste Trainingstage und -einheiten zu etablieren. Zwei bis drei Einheiten in der Woche reichen. In mindestens sieben bis zehn Einheiten am Wochenende sollte man insgesamt um die 25 bis 32 km in langsamem Tempo joggen.

Ab welchem Alter oder unter welchen Umständen ist es ratsam, die eigene Fitness durch eine sportmedizinische Untersuchung bei einem Arzt prüfen zu lassen, bevor man wieder voll ins Training einsteigt?

Prof. Dr. Lars Donath: Das ist immer ratsam. Mit einem Screening kann man ggf. Vorerkrankungen oder versteckte Herz-Kreislauf-Erkrankungen aufspüren. Die Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin weist Untersuchungszentren in Deutschland aus.

Diesen Winter litten besonders viele Menschen unter Atemwegserkrankungen, ob grippaler Infekt, echte Grippe oder COVID-19. Worauf sollten sie beim Thema Sport und Wiedereinstieg ins regelmäßige Training ganz besonders achten?

Prof. Dr. Lars Donath: Nicht zu lange in zu kalten Temperaturen trainieren. Viel trinken und angemessen in mehreren Schichten kleiden. Und wie immer: Mit Augenmaß trainieren. Gesundheitssport ist ein Dauerlauf und kein Sprint.

Kann ein Body Tracking-Instrument, mit dem sich die Körperbelastung – z. B. Atemfrequenz, Puls, Herzschlag – messen lässt, dabei helfen, das Training richtig zu dosieren und nicht zu übertreiben?

Prof. Dr. Lars Donath: Im Sinne der Beanspruchungskontrolle kann das helfen. Insbesondere, um sich zu zwingen, sich bewusst bei niedriger Intensität zu belasten. Viele ambitionierte Freizeitsportler steigern zu früh und zu stark. Man kann sich aber auch auf sein Gefühl verlassen und muss nicht alles vermessen. Im Sinne des Selbstmonitorings, also des Aufzeichnens der Trainingseinheiten, und auch zum Vergleichen mit Freunden, können Tracker helfen.

Birgt Body Tracking auch gesundheitliche Risiken?

Prof. Dr. Lars Donath: Studien der Technischen Universität Eindhoven von Elizabeth Kersten-van Dijk und anderen zeigen, dass die Gefahr besteht, einen zu starken Selbstfokus zu erzielen. Es wird zudem vermutet, dass man möglicherweise das Verhalten zu sehr nach den Erhebungsalgorithmen und den Daten ausrichtet. Damit bestünde die Gefahr, zu datengläubig zu werden. Oft weichen ja die gemessenen Werte vom subjektiven Empfinden ab, bspw. beim Schlaf. Man sollte also auch auf sein persönliches Empfinden „hören“. Zu guter Letzt kann das Body Tracking zu einem Selbstoptimierungszwang führen. Man setzt sich in übermäßige Konkurrenz zu anderen, will sich ziel- und motivlos aus Zwang verbessern.

Bewegung gilt bei bestimmten Erkrankungen als Heilmittel, ähnlich einem Medikament. Warum sind Sport und regelmäßige Bewegung so wichtig für die Gesundheit? Wie wirken sie auf unseren Körper?

Prof. Dr. Lars Donath: Sport wirkt auf eine Vielzahl von Organsystemen positiv. Er kräftigt die Muskulatur und Knochen, stärkt das Immun- und Herzkreislaufsystem. Auch das Gehirn profitiert von regelmäßiger Bewegung. Es werden Nervenzellen gebildet und Verknüpfungen gestärkt. Psychisch und mental führt regelmäßiger Sport zu mehr Stress-Resilienz. Die kognitive Leistung profitiert ebenfalls von Sport, und der Altersprozess kann insgesamt etwas ausgebremst werden. Alles in allem ist Sport ein ziemliches Breitband-Biotikum.

Sollten bei der Therapie von Krankheiten mehr bewegungstherapeutische Maßnahmen verschrieben werden?

Prof. Dr. Lars Donath: Zumindest sollte in Erwägung gezogen werden, ob man vor der Gabe von blutdrucksenkenden oder blutzuckerregulierenden Medikamenten ein sechsmonatiges Bewegungsrezept verschreibt, da im Anschluss gegebenenfalls weniger oder gar keine Medikamente mehr erforderlich sind. Wenigstens sollte zur Standardtherapie auch komplementäre Bewegungstherapie verschrieben werden können. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass ja alle Medikamente in der Regel auch Nebenwirkungen haben.

Bei welchen Erkrankungen (physisch wie psychisch) helfen Bewegung und Sport besonders gut? Und gibt es Sportarten, die besser bzw. schlechter geeignet sind, um positiv auf die Gesundheit zu wirken?

Prof. Dr. Lars Donath: Bei psychischen Erkrankungen wie Depression, aber natürlich auch bei allen anderen nicht-übertragbaren Erkrankungen wie Bluthochdruck und Diabetes. Alle Sportarten, die sehr gefährlich sind und exzessiv betrieben werden, sollten vermieden werden. Ansonsten ist alles erlaubt, was Spaß macht und dazu führt, dass man dauerhaft und regelmäßig Sport treibt.

Leistungssportler haben in ihrer Karriere auch immer wieder gesundheitliche Probleme, etwa aufgrund von Verletzungen. Ab wann wird Sport zu einer Gefährdung der Gesundheit?

Prof. Dr. Lars Donath: Das ist nicht einfach pauschal zu beantworten. Jeder (Leistungs-)Sportler tickt anders und ist in ein anderes Umfeld eingebettet. Aber mehr als das 10-fache der Gesundheitssportempfehlung von zweieinhalb Stunden pro Woche kann schädlich werden, wenn auch nicht zwingend.

Für Kinder und Jugendliche war die Corona-Pandemie durch Homeschooling und Kontaktbeschränkungen mit Bewegungsverzicht verbunden. Wie beurteilen Sie die Auswirkungen auf die jungen Menschen, die ja noch in der Wachstumsphase sind?

Prof. Dr. Lars Donath: Covid hat wie ein Brennglas gewirkt. Kinder aus niedrigen sozialen Schichten, die schon zuvor wenig Bewegung hatten, wurden noch zusätzlich durch die Pandemie benachteiligt. Bewegung ist ein zentraler Bestandteil einer gesunden sozialen, körperlichen, psychischen und emotionalen Entwicklung. Da wird die Pandemie noch einige Probleme hervorbringen. Es wäre wünschenswert, wenn alle gesellschaftlich relevanten Institutionen erkennen, dass es wichtig ist, tägliche, niederschwellige und organisierte Sportangebote im Quartier bereitzustellen. Das geht nicht ohne entsprechende finanzielle Förderung. Auch in Schulen und Kitas muss es unterstützende und möglichst tägliche Bewegungsangebote geben, damit eine bewegte Kindheit als Selbstverständlichkeit angesehen werden kann.

Welche Sportarten und welches Maß an Bewegungstraining sind für alte Menschen empfehlenswert?

Prof. Dr. Lars Donath: Alle, die Spaß machen und bei denen der Nutzen das Risiko übersteigt. Von Extremsport und zu vielen Sprüngen ist abzuraten, aber auch das nicht per se. Die Sporttauglichkeit sollte im Seniorensport gut in den Alltag passen, sozial verankert sein und mit dem Arzt abgestimmt werden – dann wird’s auch gut gehen.

Woran arbeiten Sie zurzeit wissenschaftlich im Zusammenhang Sport/Bewegung als Therapie bei Erkrankungen?

Prof. Dr. Lars Donath: Wir beschäftigen uns aktuell mit der Optimierung von Trainingsstrategien im Leistungs- und Gesundheitssport. Uns interessiert, wie Training wirkt und noch passgenauer auf die Person und deren Umgebungsfaktoren abgestimmt werden kann. Immer mit dem Ziel der Leistungs- und Gesundheitsverbesserung. Wenn Sie Interesse haben, besuchen Sie mich auf www.lars-donath.com im Internet oder folgen Sie mir unter @lars.donath auf Twitter.

Das werden wir tun. Vielen Dank für das Interview, Herr Professor Donath.

Für Sporteinsteiger

Youtube-Video der Stiftung Gesundheit mit Tipps von Prof. Dr. Lars Donath, wie der Einstieg in den Sport gelingen kann.

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Besonders freuen wir uns, wenn Sie uns mitteilen, welches Ziel Sie sich 2023 beim Thema Sport bzw. Bewegung gesetzt haben, egal ob Marathon, Jakobsweg, Sportabzeichen oder eine entspannte Wanderung im Freundeskreis.