TitelThema

„Ich werde wieder gehen können“

Mit 28 Jahren erleidet unsere Versicherte Alexandra kleine Beckmann 2016 plötzlich eine Querschnittlähmung. Nach einer Operation und Monaten in der Reha lautet die Prognose eines Arztes: Sie werden für immer auf den Rollstuhl angewiesen sein. Doch die sportliche, frisch verheiratete Frau glaubt fest daran, wieder gehen zu können...

BKKiNFORM: Frau kleine Beckmann, zunächst herzlichen Dank, dass Sie sich bereit erklärt haben, Ihre außergewöhnliche Geschichte in unserem Kundenmagazin zu erzählen. Soweit ich weiß, handelt es sich bei Ihrer Querschnittlähmung nicht um ein typisches Unfallereignis.

Alexandra kleine Beckmann: Das stimmt. Die Ursache war eine plötzliche Blutung im Rückenmark. Ich war damals im Fitnessstudio, als es passierte. Bei einer Bauchübung platzte, wie später in der Klinik durch ein MRT festgestellt wurde, ein Blutschwämmchen im Rückenmark. Ich hatte plötzlich Rückenschmerzen, als hätte ich eine blockierte Rippe. Zuerst habe ich mir nichts Schlimmes dabei gedacht und weitergemacht, aber die Schmerzen wurden dann immer stärker. Da war mir klar, dass etwas nicht stimmen kann und es ernster ist, als ich dachte. Das Fitnessstudio rief den Rettungswagen. Es dauerte nicht lange, und ich spürte, wie meine Füße zu kribbeln anfingen. Das kam von der aufsteigenden Lähmung, die innerhalb einer halben Stunde etwa bis zur Brust hochstieg. Aufgrund eines neurologischen Schocks hatte sich auch noch Wasser in der Lunge angesammelt. In der Klinik wurde das MRT gemacht, und da stellten die Ärzte dann fest, dass die Blutung zu einer Querschnittlähmung ab dem zweiten Brustwirbel geführt hatte. Es war also ähnlich wie bei einem Unfall ein plötzliches, völlig unerwartetes Ereignis. Aber es war eben kein Unfall, wie viele annehmen, wenn sie einem Menschen im Rollstuhl begegnen. Wenn ich unterwegs bin, zum Beispiel bei der Therapie, höre ich manchmal: „Ach, Unfall gehabt. Was ist denn passiert?“ Das Blutschwämmchen in meiner Wirbelsäule hätte überall platzen können. Dass es im Fitnessstudio passierte, war in gewisser Weise noch Glück im Unglück, weil sich die Menschen dort um mich kümmerten und schnell Hilfe kam.

Was hat die Blutung im Rückenmark bewirkt?

Alexandra kleine Beckmann: Wenn Blut und Nerven zusammenkommen, ziehen sich die Nerven zurück. Außerdem hat die Blutung die Nerven gequetscht. Die MRT-Bilder von der Wirbelsäule in Höhe des zweiten Brustwirbels zeigen deutlich, dass das Rückenmark aufgrund der Blutung geschädigt ist. Hinzu kommen Vernarbungen und Verengungen aufgrund der Operation.

Wie war damals nach dem Vorfall die Prognose, welche Heilungschance gab man Ihnen?

Alexandra kleine Beckmann: Im Krankenhaus sagte mir 2016 ein Arzt im Querschnittzentrum, dass ich bei der Höhe der Schädigung im Rückenmark erfahrungsgemäß nie wieder würde laufen können. Das ist, wie sich inzwischen gezeigt hat, zum Glück nicht der Fall. Man sagt ja, was sich bei einer Querschnittlähmung nach einem Jahr nicht zurückgebildet hat, kommt auch nicht wieder. Auch das trifft bei mir nicht zu, denn nach über sechs Jahren mache ich immer noch Fortschritte. Anfangs hatte ich wirklich gar keine Funktionen abwärts des zweiten Brustwirbels. Ich lag im Bett und konnte nichts mehr spüren. Alles ab der Brust abwärts funktionierte nicht mehr, sei es die Sensibilität, die Motorik, Blase, Darm. Ungefähr zwei Monate nach der Operation fing es dann auf einmal an: Ich konnte meinen linken kleinen Zeh abspreizen. Ich dachte: Es tut sich ja was, an der Stelle musst du weitermachen.

Es ging dann sehr langsam voran. Man braucht bei Nervenschädigungen wirklich viel Geduld. Aber ich spürte einfach, dass da noch viel mehr möglich war, wenn ich nur nicht aufgeben würde. Ich bekam damals im Querschnittzentrum und auch in der Rehaklinik bereits die Chance, mit einem Exoskelett (Laufroboter) zu laufen. Ich bekam dieses Gerät sogar für zu Hause. Ich denke, dass sich auch das besonders positiv auf den Verlauf ausgewirkt hat, da mein Körper immer wieder den Input zum Laufen bekam, auch wenn es sich dabei natürlich eher um maschinelles Laufen handelt.

Heute kann ich das linke Bein wieder gut aus dem Stand setzen, so dass ich mit einer computergesteuerten Orthese am rechten Bein zu Hause ein paar Schritte mit dem Rollator selbstständig gehen kann.

Haben die Mediziner eine Erklärung für die positive Entwicklung in Ihrem Fall?

Alexandra kleine Beckmann: Im Klinikum in Münster, wo ich regelmäßig zu Kontrolluntersuchungen bin, sagte der Arzt, dass es Dinge gibt, die man schulmedizinisch nicht erklären kann. Und bei mir sei das definitiv der Fall. Ich persönlich glaube, dass es auch viel mit meiner positiven Einstellung zu tun hat und damit, dass ich immer dranbleibe. Anfang des Jahres habe ich zusätzlich noch ein Coaching gemacht, in dem es vor allem um die bestmögliche Nährstoffversorgung meines Körpers ging. Ausserdem haben wir an meiner mentalen Einstellung gearbeitet. Zwar war ich vorher schon immer ein sehr positiv denkender Mensch, das hat sich durch das Coaching jedoch nochmals um einiges verstärkt.

Wie sieht Ihr Alltag seit Ihrer Erkrankung aus?

Alexandra kleine Beckmann: Meinen Beruf als Kinderkrankenschwester kann ich nicht mehr ausüben. Nach dem Ereignis im Fitnessstudio war ich ein Jahr lang von zu Hause weg, zuerst im Krankenhaus. Kurz nach der Operation kam ich in das Querschnittzentrum in Duisburg. Anschließend war ich für sieben Monate in der Reha, wo ich anfing, mit dem Exoskelett zu trainieren. Seit ich wieder zu Hause bin, gehe ich drei Mal die Woche zur Ergo- und Physiotherapie.

An den restlichen Tagen mache ich selber zu Hause viele Übungen. Ich habe einen Motomed, das sind Pedale, mit denen man die Beine wie beim Fahrradfahren unterstützend bewegen kann. Ich mache viel Rumpftraining, damit die Rumpfmuskulatur wieder zurückkommt, die will nämlich noch nicht so richtig. Und auch Übungen zum Oberkörperaufbau, um die Arme und Schultern zu stärken. Ich habe mir außerdem vor einem Jahr ein Liege-Mountainbike angeschafft, das ich mit den Händen fahren kann. Mein Mann und ich sind damit viel in der Natur unterwegs. Das war mir sehr wichtig, denn es hat mir sehr gefehlt. Es ist ein Stück Freiheit, das ich zurückbekommen habe. Und ich habe immer schon gerne genäht, was durch das richtige Hand ling auch im Rollstuhl möglich ist. Durch Corona habe ich zusätzlich noch das Häkeln von Amigurumi, das sind kleine Kuscheltiere, für mich entdeckt.

Regelmäßiges Meditieren gehört ebenfalls zu meinem Tagesablauf dazu. Darauf bin ich vor etwa zweieinhalb Jahren über das Angebot der R+V BKK mit der 7Mind-App aufmerksam geworden, worüber ich in der BKKiNFORM gelesen hatte (Anmerkung der Redaktion: siehe Seite 18). Inzwischen habe ich etliche Bücher über Achtsamkeit, Persönlichkeitsentwicklung und Meditation gelesen, weil mir Meditieren unheimlich guttut. Mein Mann macht mit, und wir profitieren beide sehr davon. Aufgrund meines Handicaps dauern viele Dinge im Tagesablauf natürlich länger, etwa das Anziehen. Ich bekomme aber viel Unterstützung von meinem Mann.

Seit dem Tag im Fitnessstudio hat sich Ihr Leben schlagartig verändert. Wie haben Sie auf diesen Schock reagiert?

Alexandra kleine Beckmann: Komischerweise habe ich damals direkt gesagt, ich werde wieder laufen können. Der Einschnitt war daher nicht so krass, dass ich völlig am Boden zerstört gewesen wäre. Ich wollte solange wie möglich im Krankenhaus und in der Reha bleiben, um den bestmöglichen Behandlungserfolg zu erzielen. Natürlich habe ich mal einen schlechten Tag – oder eher Stunden –, aber ich habe mich nicht hängenlassen und auch nicht meinen Zustand als dauerhaftes Schicksal akzeptiert. Ich weiß, dass der Rollstuhl jetzt mein Wegbegleiter ist. Und es ist auch gut, dass ich ihn habe, aber ich möchte nicht darin sitzen bleiben, ich möchte wieder laufen. Ich hatte früher ein sehr aktives Leben, ich bin viel mit meinem Mann Mountainbike gefahren. Und wir sind auch gemeinsam Motorrad gefahren. Ich habe immer gesagt, ich will da wieder hinkommen. Egal wie, ich gebe da alle meine Kraft hinein.

Woher kommt diese Kraft?

Alexandra kleine Beckmann: Ich hatte als Kind im Alter von anderthalb Jahren einen Blasentumor, welchen eigentlich fast nur Jungs bekommen. In der Regel überleben nur etwa zehn Prozent der Kinder die Krankheit, wie ich in meiner Ausbildung zur Kinderkrankenschwester erfuhr. Meine Eltern erzählten mir später, dass die Ärzte sie darauf vorbereiteten, dass ich durch die Bestrahlung des Beckens im Rollstuhl landen oder einen künstlichen Darmausgang bekommen könnte, weil ich halt noch so klein war. Aber ich habe so gut wie nichts zurückbehalten. Als ich dann plötzlich querschnittgelähmt war, war für mich klar: Ich habe das damals geschafft und überlebt, das schaffe ich auch ein zweites Mal, weil mein Körper scheinbar in der Lage ist, Wunder zu vollbringen. Es klingt vielleicht für Außenstehende komisch, aber das hat mich total motiviert.

Und ich muss auch sagen, die R+V BKK an meiner Seite ist eine große Unterstützung. Als ich jetzt gerade das Exoskelett abgeben konnte und dafür die Einbein-Orthese für das rechte Bein bekam, war Ihr Kollege, Herr Meier, der mich dabei beraten hat, selbst sehr beeindruckt und hat sich mitgefreut, weil es so selten vorkommt, dass jemand von einem Exoskelett zu einer Einbeinversorgung wechselt. Es tut einfach gut, wenn jemand wirklich Anteil nimmt.

Und fühlen Sie sich bei uns als Krankenkasse auch gut aufgehoben?

Alexandra kleine Beckmann: Die R+V BKK hat mir wirklich immer alles ermöglicht, was ging. Als ich in der Reha war und wusste, ich komme jetzt bald nach Hause, haben wir zum Beispiel Saugnapfstützen für die Toilette beantragt, da wir zu dem Zeitpunkt noch in einer Mietwohnung gewohnt haben. Meinen ersten Rollstuhl hatte ich schon in der Klinik in Duisburg bekommen. Ich bekam auch einen Stehrollstuhl, zur Kreislaufmobilisierung. Wenn ich bei der R+V BKK anrufe, habe ich immer gleich jemanden am Telefon, der über meinen Fall Bescheid weiß und direkt antworten kann. Und ich werde immer ganz transparent über alle Abläufe informiert. Auch kürzlich bei der Versorgung mit der Einbein-Orthese. Hier hielt mich Herr Meier durchgehend auf dem aktuellen Stand der Beantragung und darüber, welche Schritte als Nächste anstanden. Also, ich bin wirklich durchweg sehr zufrieden mit der R+V BKK. Ich könnte Ihnen viele Beispiele nennen, wo ich von dem tollen Service der R+V BKK berichten kann. Bis jetzt habe ich nämlich die Erfahrung gemacht, dass sich auch immer noch mal informiert oder rückversichert wird, wenn es spezielle Fragen meinerseits gibt. Auch wenn ich eine Frage habe und beim Kundenservice der R+V BKK anrufe, nimmt sich jeder immer direkt Zeit.

Ich habe wirklich von Anfang an so viel Unterstützung bekommen. Von Bekannten, die bei anderen Krankenkassen versichert sind, weiß ich, dass sie sogar um Dinge kämpfen müssen, die notwendig sind und ihnen aufgrund ihrer Behinderung zustehen.

Einmal wurde ein Antrag auf eine ambulante Reha, die ich machen wollte, abgelehnt, weil die Reha-Einrichtung keinen Behandlungsvertrag hatte. Natürlich war ich da anfangs erst mal geknickt, habe mir dann aber gesagt, für irgendetwas wird es gut sein. Ich bin dann weiter zu meiner Therapie gegangen und habe ja auch so die ganzen Fortschritte gemacht.

Was sind Ihre nächsten Ziele?

Alexandra kleine Beckmann: Mein absolut oberstes Ziel ist natürlich, wieder laufen zu können. Ich würde aber auch gerne ein Buch schreiben, weil ich möchte, dass Menschen, die in einer ähnlichen Lage wie ich sind, an sich glauben, an ihre Kraft voranzukommen und ihre Fähigkeit, die eigenen Träume und Wünsche zu erfüllen. Ich möchte die Menschen erreichen, denen die Ärzte ebenfalls gesagt haben, dass keine Hoffnung auf Heilung besteht. Egal, was für eine Krankheit man haben mag, man kann oft so viel erreichen, wenn man es versucht und an sich glaubt. Vor Kurzem habe ich mich auch dazu entschieden, auf meinem Instagramprofil (@lexi_kb) meine Geschichte zu erzählen, um noch mehr Menschen zu erreichen und zu motivieren. Wer kann so etwas besser als jemand, der diese Erfahrung bereits seit einigen Jahren macht?

Vielen Dank für das Gespräch, Frau kleine Beckmann, und alles Gute für Sie!

Querschnittlähmung: Infos und Unterstützung

Im Internet gibt es zahlreiche Informations- und Unterstützungsangebote für Querschnittgelähmte. Hier eine Auswahl von Websites:

  • www.fgq.de – Fördergemeinschaft der Querschnittgelähmten in Deutschland e.V. (FGQ)

  • www.drs.org – Deutscher Rollstuhl-Sportverband e.V. (DRS)

  • www.dsq.de – Deutsche Stiftung Querschnittlähmung (DSQ)

  • www.dmgp.de – Deutschsprachige Medizinische Gesellschaft für Paraplegiologie (DMGP).